Ergebnisse der Messungen am sog. Thermoakustik-Motor

In der Beschreibung des Aufbaus der Messeinrichtung hatte ich geschrieben, dass die Messdaten vom Arduino auf den PC übertragen werden und dort in einer Datei gespeichert werden. Ich habe das Dateiformat so gewählt, dass die Daten von dem Zeichenprogramm „gnuplot“ direkt gelesen und gezeichnet werden können.

Ich habe zunächst gemessen, wie der Druckverlauf beim Drehen des Motors von Hand ohne Heizung der Stahlwolle aussieht:

Idealerweise sollte der Kurventeil für den Hinweg des Kolbens und der Kurventeil für den Rückweg des Kolbens zusammen fallen. Man sieht, dass im gemessenen Diagramm im Bereich nahe dem oberen Totpunkt die Kurven leicht auseinander fallen. Die Ursache könnte in Messungenauigkeiten oder einer ungenauen Synchronisation der Steuerscheiben mit dem oberen Totpunkt liegen.

Man darf die absoluten Werte des Druckes in diesem Diagramm und in dem folgenden Diagramm nicht ernst nehmen. Ich hatte ja geschrieben, dass ich willkürlich einen Unterdruck am Messsensor erzeuge. Dieser nicht gemessene Unterdruck hat natürlich Auswirkungen auf die absolute Höhe des gemessenen Druckes. Relative Druckunterschiede, also z.B. zwischen den Endpunkten der Kurve, sind aber korrekt.

Von der Theorie her würde man erwarten, dass sich eine Kurve zwischen der Form p ~ 1/x (isotherme Zustandsänderung) und der Form p ~ (1 / x) hoch 1.4 (adiabatische Zustandsänderung) ergibt; eine sogenannte polytrope Zustandsänderung. Hier ist p der Druck und x der Kolbenweg. Die gemessene Kurve ist mit der Theorie verträglich.


Bei der Messung bei laufendem Motor mit beheizter Stahlwolle, also der eigentlich interessanten Messung, ergibt sich folgendes Diagramm:

Hierbei wird der obere Teil der Kurve für den Kolbenweg vom oberen Totpunkt (Kolbenweg 0 mm) zum unteren Totpunkt (Kolbenweg 22 mm), der untere Teil der Kurve auf dem Kolbenweg vom unteren Totpunkt zum oberen Totpunkt durchlaufen.

Dies ist eine Kurve, wie man sie als pV-Diagramm (das Volumen V ist ja proportional zum Kolbenweg) bei einem klassischen Heißluftmotor erwarten würde. Die Druckdifferenz zwischen den beiden Kolbenwegen ist die treibende Kraft für den Motor.

Bei dieser Messung hatte der Motor eine Drehzahl von ca. 320 Umdrehungen pro Minute. Die maximale Druckdifferenz zwischen dem Kolbenweg vom oberen Totpunkt zum unteren Totpunkt (oberer Kurventeil) und dem Kolbenweg vom unteren Totpunkt zurück zum oberen Totpunkt (unterer Kurventeil) beträgt ca. 0,018 bar (18 mbar). Dem entspricht bei der vorhandenen Kolbenfläche eine Kraftdifferenz von ca. 36 g (Gramm).

Der Flächeninhalt der von der Kurve eingeschlossenen Fläche ist proportional zu der von dem Motor pro Umdrehung geleisteten Arbeit. Zusammen mit der Motordrehzahl kann man nun die Leistung des Motors berechnen. Ich habe auf dem PC ein Programm zur nummerischen Integration der Kurve (Bestimmung des Flächeninhaltes) geschrieben. Es ergibt sich für die angegebene Drehzahl eine Leistung des Motors von 0,033 W (33 mW). Die Leistung schwankt mit der Drehzahl des Motors. Ich habe bei unterschiedlichen Drehzahlen (210 – 330 1/min) Leistungen zwischen ca. 25 und 35 mW ermittelt. Wohlgemerkt, dies ist die indizierte Leistung, nicht die Leistung, die der Motor nach außen abgeben kann. Die abgegebene Leistung ist um Reibungsverluste kleiner.

Fazit der theoretischen Überlegungen und insbesondere der Messungen: Bei diesem Motor gibt es keine thermoakustischen Effekte. Vielmehr ist der Motor ein klassischer Heißluftmotor, bei dem die Drehbewegung durch Erwärmen bzw. Abkühlen von Luft und den damit verbundenen Druckänderungen erzeugt wird.


Nachtrag (25.09.2023):

In der Zwischenzeit hat sich einiges an Erkenntnissen zu dem sogenannten “Thermoakustik Motor“ ergeben. In seinem neuesten Buch “Stirling and Thermal-Lag Engines“ von 2022 unterscheidet Allan Organ drei prinzipielle Typen von Heißluftmotoren mit geschlossenem System. Auf Seite 54 nennt er:

Stirling Engines
Thermal-Lag engines
Thermo-Acoustic Engines

Die Thermal-Lag Engine ist genau die Maschine, die wir hier betrachtet haben. Organ erläutert, in welcher Hinsicht sich eine Thermo-Acoustic Engine deutlich von einer Stirling Engine oder einer Thermal-Lag Engine unterscheidet. Er sagt, dass es keine physikalische Ähnlichkeit zwischen der Funktionsweise einer Thermo-Acoustic Engine einerseits und einer Stirling oder Thermal-Lag Engine andererseits gibt. Die Arbeitsfrequenz einer Thermo-Acoustic Engine ist mindestens eine Größenordnung höher als die einer Stirling oder Thermal-Lag Engine.
Allan Organ ist ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet Heißluftmotoren.

Woher kommt der Name Thermal-Lag Engine und wie funktioniert so eine Maschine?

Thermal-Lag heißt ja so viel wie “thermische Verzögerung“. Diese thermische Verzögerung ist das Prinzip, nach dem die Thermal-Lag Engine funktioniert: Die Übertragung von Wärme geschieht nicht spontan, sondern sie benötigt Zeit.

Die Thermal-Lag Engine wurde übrigens 1995 von Peter L. Tailer patentiert.

In seinem Buch “The Air Engine“ von 2007 beschreibt Allan Organ auf Seite 109 das Funktionsprinzip der Thermal-Lag Engine. Dazu folgendes Schaubild:

Unten auf dem Schaubild ist die Maschine symbolisch dargestellt. Der zeitliche Verlauf der Kolbenbewegung ist durch den grünen Balken rechts angedeutet. Die blauen Linien stellen den Temperaturverlauf am Gehäuse der Maschine zu den jeweiligen Zeitpunkten dar. Sollte die Temperatur der Luft in der Maschine von der Temperatur des Gehäuses an der jeweiligen Stelle abweichen, so ist das durch eine rote Linie dargestellt. Der Einfachheit halber ist die Maschine hier als Abfolge von Einzeloperationen dargestellt, die nicht kontinuierlich ablaufen. In der Praxis mit einem Kurbeltrieb gehen die Operationen natürlich fließend ineinander über.

Von 1 nach 2 geht der Kolben nach links, die Luft wird aus dem kühlen Zylinder nach links verschoben. Die Luft wird komprimiert, sie nimmt wegen der thermischen Verzögerung jedoch nicht die Temperatur der Wandung an, sondern die Temperatur bleibt niedriger (rote Linie bei 2). Der Druckanstieg ist daher nicht so groß, als wenn die Luft die Temperatur der Wandung angenommen hätte. Die Luft innerhalb der Stahlwolle nimmt wegen der guten Wärmeübertragung durch die Stahlwolle stets direkt die Temperatur der Stahlwolle an der jeweiligen Stelle an.

Von 2 nach 3 bewegt sich der Kolben nicht (in der Praxis mit Kurbeltrieb nur sehr langsam am unteren Totpunkt). Die Luft nimmt jetzt die Temperatur der Wandung an. Der Druck steigt leicht.

Von 3 nach 4 bewegt sich der Kolben nach rechts. Die heiße Luft wird entspannt, sie strömt aus der Stahlwolle nach rechts in den Raum ohne Stahlwolle. Dabei nimmt sie die wegen der thermischen Verzögerung nicht die Temperatur der Wandung an, sondern die Temperatur bleibt höher als die der Wandung (rote Linie bei 4). Der Druckabfall ist daher nicht so stark, als würde die Temperatur der Wandung angenommen.
Wegen der zeitlichen Verzögerung der Temperaturangleichung ist der mittlere Druck im Kompressionsabschnitt (1 nach 2) kleiner als im Expansionsanschnitt (3 nach 4). Daraus resultiert die geleistete Arbeit der Maschine.

Von 4 nach 1 bewegt sich der Kolben nicht (in der Praxis mit Kurbeltrieb nur sehr langsam am oberen Totpunkt). Die Luft nimmt wieder die Temperatur der Wandung an. Der Druck sinkt leicht.

Im folgenden Bild ist der Druckverlauf noch einmal schematisch als Funktion des Volumens im System dargestellt. Die von der Kurve eingeschlossene Fläche ist ein Maß für die von der Maschine geleistete Arbeit.

Man erkennt die prinzipielle Ähnlichkeit dieser Darstellung mit dem gemessenen pV-Diagramm (siehe oben).

Ich hoffe, damit ist die Legende von der “Thermoakustischen Maschine“ endgültig tot.